Miele streicht Jobs und verlagert Produktion: Wirtschaftsstandort Deutschland in Gefahr?

Miele streicht Jobs und verlagert Produktion: Wirtschaftsstandort Deutschland in Gefahr?

Deutschlands Wirtschaft steckt in einer tiefen Krise. Die Probleme des Wirtschaftsstandorts sind hinlänglich bekannt: Bürokratie, Fachkräftemangel, Energiekrise, hohe Steuern und Personalkosten. Immer mehr Unternehmen verlagern daher ihre Produktion ins Ausland. Beispielsweise auch der Chemieriese BASF, die Berliner Zeitung berichtete.

Nun macht das nächste große Unternehmen eine Verlagerung der Produktion offiziell: Der Hausgeräte-Hersteller Miele streicht 1300 Jobs in Deutschland, viele von Ihnen sollen an einem Produktionsstandort in Polen neu entstehen. Es scheint ein weiterer Beleg dafür zu sein, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland immer unattraktiver für Unternehmen wird und somit in akute Gefahr geraten könnte. Für Börsenchef Theodor Weimer war dieser Trend offenbar Anlass genug, in einer Brandrede mit der deutschen Wirtschaftspolitik abzurechnen. Deutschland befinde sich „auf dem Weg zum Entwicklungsland.“

Doch warum kehren Unternehmen wie BASF und Miele Deutschland den Rücken? Und spielen sie bei Anfragen zu Abwanderungsgedanken wirklich mit offenen Karten? Wir haben bei Miele nachgefragt.

Guten Morgen, Berlin
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Betriebsrat über Miele: „Es geht nur noch darum, Kosten zu reduzieren“

Der Hausgeräte-Hersteller will in Deutschland etwa 1300 Arbeitsplätze abbauen. Von derzeit rund 11.700 Stellen soll damit ungefähr jede neunte entfallen. Das ist das Ergebnis der Tarifverhandlungen mit der IG Metall, die seit Februar andauerten. Der Großteil des Abbaus betrifft Gütersloh, wo das Unternehmen seinen Hauptsitz hat. Bis zu 700 Stellen werden aus der dortigen Waschmaschinenfertigung in ein polnisches Werk in Ksawerów verlagert – die Produktion wird somit in Deutschland ab- und in Polen wieder aufgebaut. Miele ist nicht das einzige Unternehmen, welches seine Produktion nach Polen verlagert. Der Gerätehersteller reagiert damit auf den Umsatzrückgang von neun Prozent im vergangenen Jahr und das kriselnde Geschäft.

Die IG Metall bezeichnete das Ergebnis der Tarifverhandlungen als „Licht und Schatten“. Es sei nicht gelungen, Miele von ihren grundsätzlichen Abbau- und Verlagerungsplänen abzubringen, erklärte Patrick Loos, Verhandlungsführer der IG Metall. Ende April hatte die Gewerkschaft einen Artikel in ihrem Magazin Metall veröffentlicht, in welchem der Frust der Mitarbeiter über das Vorgehen Mieles deutlich zum Ausdruck kam. „Es geht nur noch darum, Kosten zu reduzieren“, egal wie, sagte dort beispielsweise Birgit Bäumker, Betriebsratsvorsitzende bei Miele. Die Belegschaft ärgerte sich darüber, dass das Unternehmen nicht Klartext rede. „Man merkt, dass dies ein Unternehmen ist, das Waschmaschinen herstellt, denn hier wird auch in der Kommunikation viel mit Weichspüler gearbeitet“, sagte ein Mitarbeiter spöttisch.

Miele: „Kommen nicht umhin, auch außerhalb Deutschlands zu produzieren“

Auf Anfrage der Berliner Zeitung äußerte sich Carsten Prudent, Leiter der Unternehmenskommunikation bei Miele, wenig verständnisvoll angesichts der medialen Berichterstattung über Abwanderungsgedanken seines Unternehmens. „Leider können wir nicht verhindern, dass Miele in der medialen Diskussion um die Zukunft des Industriestandorts Deutschland immer wieder als prominentes Beispiel genannt wird.“ Das liege an der Bekanntheit von Miele und der Tatsache, dass es ein deutsches Traditionsunternehmen sei. Er versichert, dass Miele weder große Teile seiner Produktion in andere Länder verlagere, noch Miele aus Deutschland abwandere oder dem Land den Rücken kehre.

Miele betreibe weiterhin acht seiner 15 Produktionsstandorte in Deutschland. „Keiner dieser Standorte steht infrage“, betont Prudent. „Und es sind, von den bereits angekündigten Maßnahmen abgesehen, auch keine weiteren Verlagerungen geplant.“ Komplett abstreiten will der Pressesprecher die Probleme des Standorts Deutschland allerdings nicht. Natürlich seien die „Rahmenbindungen in Deutschland für industrielle Produktion herausfordernd, etwa mit Blick auf die Personal- und Energiekosten und auch die Bürokratie“, gesteht Prudent. „Deshalb kommt auch Miele nicht umhin, auch Standorte außerhalb Deutschlands in seinen Produktionsverbund einzubeziehen.“

Die Worte des Pressesprechers ähneln denen der BASF, die uns gegenüber ebenfalls eine Abkehr aus Deutschland dementierte, durch Produktionsverlagerungen aber nachweislich ebendiese durchführt. Auch Miele verlagert seine Produktion nun nachweislich ins Ausland. In der Antwort auf unsere Anfrage gibt sich das Unternehmen trotzdem größte Mühe klarzumachen, dass die Berichte über eine Abkehr aus Deutschland nicht angebracht seien. „Inhaltlich ist das nicht passend.“ Auch wenn BASF und Miele ihre Abwanderungsgedanken bestmöglich kaschieren wollen: Die Tatsachen sprechen eine andere Sprache. Die Bundesregierung hat eine Menge wirtschaftspolitischer Aufgaben vor sich, damit der Wirtschaftsstandort Deutschland nicht bald von der Landkarte zu verschwinden droht.

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